Androgenetische Alopezie (AGA), auch anlagebedingter Haarausfall genannt, zeichnet sich durch eine fortschreitende Verdünnung und anschließenden Verlust des Kopfhaares aus. Für gewöhnlich tritt AGA um das 20. Lebensjahr herum auf; im Alter von 50 Jahren sind beinahe 50 % aller Männer davon betroffen. Dieses weitverbreitete dermatologische Phänomen betrifft sowohl Frauen als auch Männer und wirkt sich meist negativ auf die Lebensqualität der davon betroffenen Personen aus.
Gegenwärtig verfügbare Wirkstoffe gegen anlagebedingten Haarausfall sind vor allem oral eingenommenes Finasterid (N–tert-Butyl-3-oxo-4-aza-5α-androst-1-en-17β-carbamid) und lokal angewandetes Minoxidil (6-piperidin-1-ylpyrimidine-2,4-diamine 3-oxide). Das Pyrimidin-Derivat Minoxidil wird auch gegen Bluthochdruck eingesetzt, wohingegen sein genauer Wirkmechanismus auf den Haarwuchs bislang noch unklar ist. Finasterid wird zudem auch gegen benigne Hyperplasie der Prostata eingesetzt und ist ein synthetischer 5-alpha-Reduktase-Hemmer. Die Anwendung gegen Haarausfall geht jedoch häufig mit verschiedenen Nebenwirkungen einher, wie z.B. Juckreiz durch Ekzembildung, erhöhte Herzschlagrate, Atemschwierigkeiten, plötzliche Gewichtszunahme, Ödembildung und Hautentzündungen oder im Falle von Finasterid verminderte Libido, Impotenz und vermindertes Ejakulatvolumen.
In der zugrundeliegenden Studie wurden die haarwuchsfördernden Effekte einer 2%igen Minoxidil-Lösung mit denen einer Rosmarinöl-Lösung verglichen.
Aufgrund seiner lindernden Effekte gegen Ekzeme, Akne, Hautschwellungen und Dermatitis wird der seit Jahrhunderten für seine Heilkräfte geschätzte Rosmarin in Form von Rosmarinöl häufig als Bestandteil von Wirkstoffkosmetik verwendet. Es wird angenommen, dass die krampflösende Wirkung von Rosmarin die mikrokapillare Perfusion erhöht. Daher wurde in der Forschung die Hypothese aufgestellt, dass Rosmarinöl die Blutversorgung des Haarfollikels erhöht und somit als Wirkstoff bei der Behandlung von anlagebedingtem Haarausfall (AGA) effektiv eingesetzt werden kann. Die zugrundeliegende Studie untersucht das Wirkspektrum und die Wirkkraft von Rosmarinöl bei der Behandlung von anlagebedingtem Haarausfall und vergleicht diese mit den Effekten einer 2%igen Minoxidil-Lösung.
Die Studie wurde über einen Zeitraum von 6 Monaten als einzelverblindete, randomisierte, klinische Untersuchungsreihe durchgeführt. Die Teilnehmer waren Männer zwischen 18 und 49 Jahren, welche an anlagebedingtem Haarausfall litten. Die Studienteilnehmer wandten zweimal am Tag im Abstand von zwölf Stunden jeweils 1 ml der ihnen zugewiesenen Lösung (Rosmarinöl-Lösung oder 2%ige Minoxidil-Lösung) an. Die jeweilige Lösung wurde nach dem oben genannten Schema über einen Zeitraum von 6 Monaten lang auf den frontoparietalen Bereich der Kopfhaut und den Scheitelbereich leicht einmassiert. Nach einer Erstuntersuchung zu Studienbeginn wurden die Teilnehmer alle 3 Monate auf Wirkung und Verträglichkeit der jeweils angewandten Lösungen hin untersucht.
Die daraus gewonnenen Daten wurden unter anderem per Software mit Hilfe des sogenannten t-Tests und des Chi-Quadrat-Tests analysiert, für die Varianzanalyse wurde die Bonferroni-Methode durchgeführt.
Nach 6 Monaten war sowohl bei den Teilnehmern der Rosmarinöl- als auch der 2%igen Minoxidil-Gruppe eine signifikante Erhöhung der Haaranzahl festzustellen. Ein signifikanter Unterscheid war zwischen beiden Gruppen nach 6 Monaten nicht festzustellen. Dies zeigt: die haarwuchsfördernde Wirkung von Rosmarinöl und der 2%igen Minoxidil-Lösung war ähnlich stark. Allerdings wurde von Teilnehmern der Minoxidil-Gruppe häufiger berichtet, dass Kopfhautjucken als Nebenwirkung der Anwendung der 2%igen Minoxidil-Lösung aufgetreten ist.
Den Studienteilnehmern wurde zudem ein Fragebogen ausgehändigt, dessen Beantwortung zwei Aspekte des während des Studienverlaufs erfolgten Haarwuchses bzw. Haarverlusts präzisierte. In den Antworten gaben die Teilnehmer unter anderem ihre persönliche Einschätzung der Zunahme des Haarwuchses als auch der Abnahme des Haarverlustes mit Hilfe auswählbarer Kategorien (mild, moderat, kein Unterscheid, schlechter als zuvor) an. Aus diesen Daten ergab sich, dass die Rosmarinöl-Gruppe ihre Erfahrungen besser bewertete als die Minoxidil-Gruppe. In beiden Gruppen verringerte sich der Haarverlust, wobei die Rosmarinöl-Gruppe bei den Zwischenuntersuchungen beziehungsweise -befragungen nach 3 beziehungsweise 6 Monaten siginifikant bessere Ergebnisse zeigte, dass heißt die Anwendung von Rosmarinöl korrelierte mit geringerem Haarverlust.
Fazit
Die von den Autoren überprüfte Hypothese, dass Rosmarinöl haarwuchsfördernd wirkt, hat sich anhand der Studienergebnisse als zutreffend erwiesen. Die haarwuchsfördende Wirkung wird von den Studienautoren auf mehrere Eigenschaften des Rosmarinöls zurückgeführt: zum einen die durch die krampflösende Wirkung bedingte Erweiterung der Kopfhautblutgefässe und die dadurch entstandene erhöhte Durchblutungsrate der Haarfollikel, zum anderen auf die antioxidative Wirkung von Rosmarinöl. Wissenschaftliche Forschungsergebnisse sehen eine klare Verbindung zwischen oxidativem Stress und Haarausfall. Bei Patienten mit Haarausfallerscheinungen ließen sich geringere Mengen an Antioxidantien und erhöhte Mengen an Oxidantien nachweisen. Die antioxidative Aktivität von Rosmarinöl ist wissenschaftlich gut dokumentiert. Rosmarinöl bindet sogenannte freie Radikale und unterdrückt die Lipidperoxidation. Zusätzlich zu seinen potenzierenden Wirkungen auf die mikrokapillare Blutzirkulation verfügt Rosmarinöl über diverse andere, gut dokumentierte pleiotrope Eigenschaften, wie zum Beispiel seine antibaktierelle und antifungale Wirkung. Darüber hinaus wirkt Rosmarinöl hautpflegend und kräftigend, wodurch nach Anwendung ein seidiges und weiches Erscheinungsbild der Haare entsteht.
In der zugrundeliegenden Studie hat sich Rosmarinöl als ebenso wirksam gegen Haarausfall erwiesen wie eine 2%ige Minoxidil-Lösung. Zudem akzeptierten die Studienteilnehmer der jeweiligen Gruppe die Rosmarinlösung besser als die 2%ige Minoxidil-Lösung, was sich auf das geringere Kopfhautjucken und den verringerten Haarverlust in der Rosmarinöl-Gruppe zurückführen lässt.
Rosmarinöl hat sich in der Studie klar als wirksames und gut verträgliches Mittel gegen anlagebedingten Haarausfall erwiesen.
Zugrundeliegende Studie:
Panahi, Y. et al.: Rosemary oil vs minoxidil 2% for the treatment of androgenetic alopecia: a randomized comparative trial; in: SKINmed 2015 January-February; 13(1):15-21.